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Sebastian Gögel

*1978 in Sonnenberg
Lebt und arbeitet in Leipzig

Miniatur, 2020



Die kleinformatige Bronze „Miniatur“ hat der Leipziger Künstler Sebastian Gögel speziell für die diesjährige Triennale erschaffen. Sie zeigt eine große Figur, die eine kleine Figur auf dem Arm hält. In starker kompositioneller Anlehnung an die abstrahierende Formensprache des Kubismus und des Futurismus hat der Künstler die Zweiergruppe in geometrische Formen aufgebrochen, die hohl und ausgeformt, fließend und rund nebeneinanderstehen. Der angedeutete linke Arm der Kinderfigur beispielsweise scheint eine Kugel in die Höhe zu halten, während der rechte das Kinn der erwachsenen Figur berührt und die Körper miteinander verschmelzen. Das Fließende der Formen erinnert aus einzelnen Perspektiven an Brunnen und Wasserspiele, andere Perspektiven wiederum erwecken Assoziationen zu einer Kugelbahn. Die Verspieltheit, kompositionelle Komplexität und phantasievolle Ausgestaltung der Plastik finden sich ebenso in der gegenständlichen und farbintensiven Malerei Gögels, der an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig Malerei studiert hat und neben Skulpturen, Zeichnungen, Installationen und Malereien auch Tätowierungen ausführt. Sebastian Gögel

Im frontalen Blick auf die Figur erinnern die Hohlstellen, die wie Platzhalter für die Gesichter erscheinen, an ein verlassenes Schneckenhaus.

War die Hülle einmal ausgefüllt oder ist sie eine bewusste Leerstelle? Die Aussparung des Gesichtes trägt etwas Melancholisches in sich, ähnlich vielleicht der Deutung vieler christlicher Darstellungen von Maria mit dem Christuskind, wenn sich die Mutter an ihrem kleinen Kind erfreut, sich aber zugleich dem Lauf des Lebens – und vor allem dem Ende des Lebens Christi – bewusst ist. Ebenso tragen das jeweils von den Wetter- und Sonnenverhältnissen abhängige Licht- und Schattenspiel in der Hohlstelle dazu bei, unterschiedliche Stimmungsmomente zu evozieren.

Wichtig ist nicht zuletzt im kunsthistorischen Kontext, dass es sich bei Gögels Plastik gerade nicht um eine klassische Mutter-Kind-Darstellung handelt, sondern dass die erwachsene Figur ebenso für eine Frau wie für einen Mann stehen kann. Damit ist das Kunstwerk auch ein Spiegelbild unserer Zeit. Väter, die alleine mit ihren Säuglingen unterwegs sind oder diese in einem gewickelten Tuch am Körper tragen, sind heutzutage ein gewohntes Bild. In den letzten Jahrzehnten sind die Festschreibungen der Geschlechter sowie der Geschlechterrollen von männlich und weiblich aufgebrochen und tradierte Verhaltensmuster hinterfragt sowie verändert worden.

Dadurch, dass der Künstler offenlässt, ob es sich in der erwachsenen Figur um eine Frau oder einen Mann handelt, verleiht er dem Kunstwerk zugleich eine allgemeinmenschliche Aussage. So bezieht sich die Skulptur nicht nur auf das Verhältnis zwischen Eltern und Kind, sondern ist auch ein Symbol der Verantwortung aller Menschen füreinander, sich gegenseitig zu schützen und solidarisch zu verhalten, damit sich alle in einem sicheren Rahmen freiheitlich entwickeln können.

Mit „Miniatur“ hat Gögel nicht nur eine Kleinskulptur für den Außenraum geschaffen, er deutet durch den gewählten Titel auch an, dass es für Kunstwerke immer verschiedene Möglichkeiten einer Größe gibt, die der Künstler je nach Komposition oder Aufstellungsort auswählt. Gerade durch ihre geringe Größe erscheint die Bronze wie eine Preziose, die über den aufwendigen Entstehungsprozess vom Tonmodell über die Silikonform bis zum Bronzeguss und der Patinierung entwickelt worden ist. Die kleinformatige Komposition der Figurengruppe ist geprägt von Rhythmus und Harmonie ebenso wie von Würde und Anmut, die in den sie umgebenden Raum ausstrahlen – eine Wirkung, die von der Materialität der patinierten Bronze, die in Farbe und Haptik den Eindruck von Wärme vermittelt, verstärkt wird.

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